Sonntag, 5. Dezember 2010

Christentum und Moderne

Kein geringerer als der erste EU-Präsident, der Flame Herman van Rompuy, hat als Politiker den Mut, sich offen zum Christentum als einer existentiellen Idee für das Gelingen nicht nur Europas, sondern auch für die moderne Welt generell zu bekennen. Seine Offenheit und seine Bescheidenheit mögen bei den machiavellistischen Politikern der EU und der von Hybris bestimmten intellektuellen Kaste nur ein mitleidiges Lächeln hervorrufen.

Er zeigt dem rastlos-getriebenen, modernen Individuum, das zwischen Job, U-Bahn, Events und auch noch Nickerchen orientierungslos im Kosmos umherirrt, auf, dass es im Begriff ist, das Wesentliche seines Seins zu verfehlen. Dieses sinnentleerte Leben wird von den Medien kongenial ergänzt, indem diese täglich nur noch über eine Banalität nach der anderen berichten, und diese Scheinwelt dann auch noch als die Wirklichkeit verkaufen. Die Medien erfüllen heutzutage keinen Aufklärungsauftrag mehr, sondern nur noch einen Auftrag zur Depolitisierung der Öffentlichkeit, um die Medienkonsumenten verfänglicher für Manipulationen jedweder Art zu machen, wie dies in den USA schon seit Jahrzehnten der Brauch ist.

Herman van Rompoy bietet den Lesern/innen eine Alternative; es ist nicht der einfache, gerade Weg, der zum Glück oder zur Erfüllung führt, sondern er zeigt eine simple Alternative auf, und zwar das Bekenntnis zur Lehre des Christentums als gesellschaftliches Gestaltungsprinzip und die daraus folgenden politischen Konsequenzen. Der Autor argumentiert sehr politisch, aber er sieht darin nichts Absolutes. Überall gehe es zwar um „Geld“ und „Macht“; die Welt aber „sauberer“ zu machen, gehe nur, „wenn der Geist und das Herz der Menschen sich für das Immaterielle öffnen“. Besser hätte es auch Thomas von Kempen in seiner „Nachfolge Christi“ nicht ausdrücken können.

Wie denn das aus kurzen Essays bestehende Buch stark an die Sentenzen dieses niederrheinischen Mystikers erinnert. Der Duktus, die Einfachheit der Sprache und die Klarheit der Gedankenführung lassen sichtbar werden, welche Sprengkraft in einer auf dem Christentum fußenden Analyse der Gesellschaft stecken und welche Orientierung es geben kann. Wohl nicht ohne Grund verweist van Rompuy auf den ehemaligen UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld, dessen ständiger Begleiter die „Nachfolge Christi“ war. Welch ein Zufall? Dieses Buch sollte nicht nur für jeden Menschen mit Wertorientierung ein absolutes Muss sein, sondern insbesondere für die politische Klasse in der Europäischen Union, damit sie zur Kenntnis nimmt, welch großartiger Präsidenten diese im Niedergang befindliche Gemeinschaft repräsentiert. Die Machtpolitiker der EU sollten sich dieses Buch gegenseitig unter den Weihnachtsbaum legen.

Erschienen hier.