Donnerstag, 3. Februar 2011

Das politische „Todesurteil“ über Hosni Mubarak

Das Ende des Mubarak-Regimes scheint nun besiegelt. Hatte Israel anfangs noch den Pharao massiv verteidigt, änderte Ministerpräsident Benyamin Netanyahu nun seine Meinung. Ob er auch der geeignete ist, Bedingungen an eine zukünftige demokratisch legitimierte Regierung in Bezug auf den Friedensvertrag von 1979 zu stellen, darf bezweifelt werden. Obama war in seinen Statements noch unentschlossen, hatte doch Israel vor einigen Tagen noch von den USA und den europäischen Staaten gefordert, den Pharao am Nil um jeden Preis zu unterstützen. Heute kam die pragmatische Kehrtwende. Plötzlich setzte sich das Besatzungsregime über die Palästinenser an die Spitze der Unterstützer der Demokratiebewegung in Ägypten. US-Präsident Obama und seine „willigen Helfershelfer“ in Europa werden die Zeichen der Zeit bestimmt erkennen und endlich den Abgang ihres Satrapen am Nil einfordern.

Die folgenden Sätze Netanyahus vor der Knesset muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: "All those who value freedom are inspired by the calls for democratic reforms in Egypt (…) An Egypt that will adopt these reforms will be a source of hope for the world. As much as the foundations for democracy are stronger, the foundations for peace are stronger." Solche Sätze überraschen besonders von einem Politiker, dessen Land seit über 43 Jahren ein anderes Volk auf das Übelste unterdrückt. Vergessen ist plötzlich Israels Unterdrückungspolitik zusammen mit dem ägyptischen Autokraten gegen das palästinensische Volk. Da die israelische Regierung von Jahren der Unsicherheit in Ägypten ausgeht, forderte Netanyahu eine „Unterstützung der israelischen Macht“. Dies ist ein Hinweis an Obama und die westeuropäische Klientel, Israel noch stärker militärisch zu unterstützen. Natürlich durfte Netanyahus Dämonisierung Irans und der Islamisten nicht fehlen. "Our real fear is of a situation that could develop ... and which has already developed in several countries including Iran itself -- repressive regimes of radical Islam," und er fuhr fort, "in a situation of chaos, an organized Islamist body can seize control of a country. It happened in Iran. It happened in other instances". Warum kümmert sich Netanyahn nicht um seine jüdisch-extremistischen Rabbiner, die einen offenen Rassismus gegen alle Goyim (Nicht-Juden) in jüdischen Fatwas verkünden oder um seinen rechtsnationalistischen Außenminister, der schon einmal Mubarak zum Teufel gewünscht hat?

Wann erkennen die USA und die westlichen Verbündeten endlich, dass Israels Interessen denen des Westens diametral entgegen stehen? Israels eingebildete Feinde sind nicht automatisch „Feinde“ des Westens. Wer hat zur Entstehung der so genannten Terrororganisationen im Nahen Osten wesentlich beigetragen? Israel durch seine Kolonialpolitik im Libanon und den palästinensischen Gebieten. Erst durch den Einfall Israels 1982 in den Libanon und durch die Einrichtung einer so genannten Sicherheitszone im Süden des Landes kam es zur Gründung der Hisbollah. Erst durch die brutale Niederschlagung der ersten Intifada 1987 entstand Hamas. Durch seine sinnlose und politisch völlig unverantwortliche 18-jährige Besetzung Südlibanons sind über 1 000 israelische Soldaten für nichts gestorben, bevor Ehud Barak im Mai 2000 die überhastete Flucht aus dem Libanon angetreten hatte.

Die US-Amerikaner trifft vielleicht noch eine größer Schuld, weil sie immer ihre schützende Hand über Israels völkerrechtswidrige Politik gehalten haben, obgleich sie wussten, dass dessen Politik gegen alle „westlichen Werte“ verstößt. Die USA sind zusammen mit dem fundamentalistischen Regime in Saudi-Arabien und dem pakistanischen Geheimdienstes die Geburtshelfer von al-Qaida gewesen. Damals ging es aber gegen die Sowjetunion, heute benutzt man den Popanz al-Qaida, um Krieg gegen Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen und vielleicht demnächst gegen Iran zu führen. Vielleicht sollten die USA und der Westen ideologisch abrüsten und sich nicht länger von Israels obsessiven Feindbildern beeinflussen lassen.

Einen Einblick in die völlig verschrobene Sichtweise zionistisch-israelischer Analysten gibt der Beitrag von Ari Shavit. Es wäre verhängnisvoll, würde sich westliche Politik daran ausrichten. Vielleicht fragt sich einmal Shavit, was die israelische Besatzungspolitik und dessen blinde Unterstützung durch die Schutzmacht USA zum Niedergang des Westens beigetragen haben Von einem „Betrug an Mubarak“ seitens des Westens zu sprechen, zeugt von einer israelisch-ethnozentrischen Sichtweise internationaler Politik, die niemand versteht. Eine völlig andere Position dagegen vertritt Bradley Burston; sie entspricht eher westlich-demokratischen Denkens. Er schreibt wider die israelische Obsession an, dass die ägyptische Demokratiebewegung eine Gefahr für Israel darstelle.

Aber das Hauptproblem Israels scheinen seine so genannten US-amerikanischen zionistischen Glaubensgenossen zu sein. Wenn Malcolm Hoenlein, der einflussreiche geschäftsführende Vizepräsident der „Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations“ Mohammed el-Baradei als einen „Stohmann Irans“ bezeichnet, dann kann man der israelischen Regierung nur raten, sich vor solchen Freunden zu schützen. Netanyahu scheint doch politisch klüger als einige Vertreter der „Israellobby“ in den USA zu sein.

Der Westen sollte jetzt dem Beispiel Netanyahus folgen und sich endlich an die Spitze der Demokratiebewegung in Ägypten stellen, damit könnte er ein wenig von seiner verlorenen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, die er auf dem Altar blinder Israel-Solidarität, „nationaler Sicherheit“ oder „westlicher Interessen“ durch das Paktieren mit Autokraten, Despoten und Diktatoren eingebüßt hat. Eine Demokratie im klassisch-westlichen Sinne in der Region würde den Exklusivitätsanspruch Israels auf dieses Patent ins rechte Licht rücken. Dem ersten Demokratisierungsversuch in Palästina wurde seitens des Westens durch einen Putsch ein jähes Ende bereitet. Es durfte nicht sein, dass eine „Terrororganisation“ in freien, gleichen, geheimen und allgemeinen Wahlen an die Macht gewählt worden ist. Dieses Beispiel hätte zu sehr auf die anderen arabischen Despotien ausgestrahlt und „westlichen Interessen“ widersprochen.