Sonntag, 20. März 2011

Libyen: Der dritte Krieg des Westens gegen die islamische Welt

Der Krieg des Westens gegen den Islam geht in eine neue Runde. Nachdem der Westen Afghanistan und Irak überfallen hat, geht es nun in einem neuen „shock and awe“-Bombardement gegen Libyen. Der Krieg gegen den libyschen Oberst Muammar al-Gaddafi ist nur oberflächlich ein persönlicher Krieg des „Zwerges von Paris“ im Namen des Westens gegen den Islam; Sarkozy wollte mehr scheinen, als er tatsächlich ist. Die führenden Mächte des Westens haben sich vom UN-Sicherheitsrat durch die Resolution 1973 ermächtigen lassen, Flugverbotszonen in Libyen einzurichten. Tatsächlich ging es dem Westen und den USA primär darum, einen weiteren renitenten arabischen Autokraten zu stürzen. Ein Despot soll durch einen dem Westen angenehmeren ersetzt und Libyen nach neoliberalen Vorstellungen umgestaltet werden. Obamas Ultimatum gegenüber Gaddafi steht dem von George W. Bush gegenüber Saddam Hussein in nichts nach.

Als nützliche Begleiterscheinung soll dieser Krieg Sarkozy seine Macht sichern und ihm eine gute Ausgangslage für seine Wiederwahl zum Präsidenten Frankreichs verschaffen. Obgleich das US-Imperium rhetorisch eine Nebenrolle vortäuscht, haben schon die ersten Stunden gezeigt, wer das Sagen hat. Die europäischen Mäuse haben gebrüllt, während der US-amerikanische Tiger die Beute erlegt, massive Zerstörungen inbegriffen, wenn das US-Imperium irgendwo einmal zuschlägt. Die US-Amerikaner führen nun ihren dritten Feldzug im Namen des Westens gegen ein muslimisches Land. Bereits die ersten Angriffe haben gezeigt, dass durch die westlichen Luftangriffe primär Zivilisten ums Leben kommen. Nur vordergründig und rhetorisch geht es dem Westen um den Schutz von Zivilisten, diese wurden beim Überfall auf den Irak zu hunderttausenden im Namen von Demokratie und Freiheit getötet; auch beim so genannten Krieg gegen den Terror in Afghanistan und gegen Pakistan spielen Zivilisten keine Rolle, sie sind als so genannte Kollateralschäden „hinzunehmen“; stuff happens, wie der ehemalige US-Kriegsminister Donald Rumsfeld zu sagen pflegte.

Vordergründig setzte sich Sarkozy, wie es seine Art ist, medienwirksam in Szene, weil ihm innenpolitisch das Wasser bis zum Hals steht. Nachdem er einige Obskuranten als „legitime Vertreter“ Libyens „anerkannt“ hatte, welch lächerlicher Akt für eine „Grande Nation“, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit bombastischen Worten und dem Flair der „Grande Nation“ in die Offensive zu gehen. Ob es auf Anraten eines der kriegslüsternen so genannten französischen Feuilleton-Philosophen geschehen ist, der tags zuvor aus Bengasi mit Sarkozy lange telefoniert hatte, sollte vom französischen Parlament untersucht werden. Sarkozy gilt nicht ohne Grund als der am wenigsten „französischste“ und US-amerikanisch freundlichste Präsident Frankreich; „Les Americaine“ wird er genannt, der sich mit pro-amerikanisch und pro-israelischen Beratern umgibt. Sarkozy hat Frankreichs unabhängige Rolle in der Welt preisgegeben, die es seit Charles de Gaulle inne hatte. Heute ist es nur noch ein weiterer lächerlicher Appendix des US-Imperiums.

Nicht nur in den Umfragen zu den Präsidentschaftswahlen 2012 liegt Marine Le Pen, die neue Vorsitzendes der Partei „Front Nationale“, vorn. Am 20 März stehen auch Kommunalwahlen an, in denen nicht nur Sarkozy, sondern auch der Linken eine empfindliche Schlappe drohen könnte. Selbst einige Abgeordneten von Sarkozys Partei wollen „Mittelmeerflüchtige mit ihren Booten wieder aufs offenen Meer hinaustreiben“, um dadurch der „Front Nationale“ die Stimmen abzugraben. Nicht ohne Grund hat deshalb Sarkozy seinen Außenminister Alain Juppé zur Sitzung des UN-Sicherheitsrates nach New York geschickt, um die Resolution für Flugverbotszonen durchzuboxen, was auch gelang. Mit 10:0 wurde die neue Kriegsresolution angenommen. Enthalten haben sich China, Russland, Brasilien, Indien und Deutschland.

Sarkozy hatte zwar noch formaliter einige westliche Regierungschefs und den Vorsitzenden der Arabischen Liga nach Paris eingeladen, aber sein Entschluss, loszuschlagen, und zwar am liebsten alleine, war längst gefallen, bevor diese in der Rolle von Statisten aufgereihten westlichen und arabischen Politiker die Entscheidung noch formal abzuknicken hatten. Die Arabische Liga hat vehement eine Flugverbotszone gefordert, jetzt kritisieren sie aber die westliche militärische Aggression. Was hat man anderes vom Westen erwartet als massive Zerstörungen? Warum hat die „politische Lachnummer“, die sich Arabische Liga nennt, die Flugverbotszone nicht eigenmächtig gegen einen ihrer Mitgliedstaaten durchgesetzt? Warum hat man es dem Westen gestattet, in einen Bürgerkrieg einzugreifen? Die arabischen Staaten sind doch alle mit den modernsten westlichen Waffen bis an die Zähne bewaffnet. Oder brauchen sie diese Waffen nur, um ihre kleptokratische Herrschaft gegen ihre eigene Bevölkerung zu schützen oder, wie durch die Intervention des saudi-arabischen Militärs bei ihren „Brüdern“ in Bahrein zu beobachten ist, um eine dekadente Herrscherelite vor dem Untergang zu retten?

Dieser Krieg gegen die muslimische Welt ist auch ein Krieg der NATO, obgleich sie nach außen Uneinigkeit demonstriert. Sie stellt im Hintergrund die Logistik in Form der Militärstützpunkte in Italien, auf Kreta oder Spanien zur Verfügung. Selbst der deutsche Außenminister hat den US-Amerikanern jegliche logistische Unterstützung zugesagt, um von deutschen Boden Krieg gegen eine Land der Dritten Welt zu führen, wie weiland die Schröder/Fischer-Regierung bei dem Überfall der USA gegen den Irak. Die ganze Heuchelei und die doppelten Standards des Westens sind hier wieder für alle offen sichtbar. Nachdem der Krieg begonnen hat, verkündet bereits Westerwelle in typisch deutscher Manier, „Trostpflaster“ an der Grenze für libysche Flüchtlinge verteilen zu wollen.

Deutschland gehörte zwar dieses Mal zu den Klügeren und enthielt sich im UN-Sicherheitsrat einer Kriegsresolution, obwohl das Land sonst immer folgsam mit dem Westen im Namen einer so genannten „Bündnissolidarität“ marschiert und kämpft. Wäre es nach Bundeskanzlerin Angela Merkel gegangen, wäre Deutschland bestimmt beim Krieg gegen Libyen dabei gewesen wie weiland im Irak, wenn es 2003 nach ihr gegangen wäre. Wie damals konkurrierte sie mit Tony Blair um Bushs Darling Rolle. Gott sei Dank war sie vor dem Überfall auf Irak nicht an der Macht. Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle konnte bei der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat endlich Statur gewinnen, nachdem der immer „kriegswillige“ Baron von und zu Guttenberg sich selbst ein Bein gestellt hatte. Westerwelle sollte sich von der Bundeskanzlerin noch einmal erklären lassen, warum sich Deutschland zwar in der UNO der Stimme enthalten, Angela Merkel sich aber vehement in Paris hinter die westliche Aggression gegen Libyen gestellt hat.

Dem Westen geht es auch in Libyen nicht um die Menschen, Ethik, so genannte westliche Werte, Menschenrechte oder Demokratie, sondern um politische Stabilität, koste es, was es wolle. Und es geht um den weiteren freien Fluss des Öls, was das primäre Interesse des Westens ist. Auch soll Gaddafi gestützt werden. Dass die westlichen politischen Eliten solche Schwierigkeiten haben, diese Banalität offen auszusprechen, überrascht doch sehr und offenbart die doppelten Standards des Westens zum wiederholten Male. Vielleicht gibt es für die Aufständischen ein böses Erwachen, sollten die Westmächte Libyen militärisch besetzen, um Gaddafi zu entmachten. Ob sie und die Arabische Liga das gewollt haben, darf bezweifelt werden. Das Land wäre dann die Nummer drei auf der Liste der neokolonialistischen Eroberungen des Westens.