Samstag, 14. April 2012

Amitai Etzioni, Vom Empire zur Gemeinschaft

Das US-Imperium hat durch seinen Überfall auf Irak einen machtpolitischen Flop erster Güte gelandet. Unter der Präsidentschaft von Barack Obama haben sich die USA weg vom Unilateralismus seines Vorgängers wieder verstärkt dem Mulitlateralismus zugewandt, was aber letztendlich auf das Gleiche hinausläuft. Der Unterschied zu beiden hegemonialen Strategien besteht darin, dass bei der letzteren andere Staaten in Mithaftung für die expansionistischen Ziele der US-„Hypermacht“ genommen werden. Beide Strategien zielen auf Expansion der US-amerikanischen Hegemonie.

Amitai Etzioni, Direktor des Communitarian Network und Professor für Internationale Beziehungen an der George Washington Universität, favorisiert einen Multilateralismus. Auch sieht er sein Land bloß als ein „Semi-Imperium“, das keinerlei egoistische Machtinteressen verfolge, sondern nur an der finanziellen Überforderung für seinen Expansionismus zugrunde gehen könnte, weil die Trittbrettfahrer in Europa und Asien sich nicht finanziell an dieser Eroberungsstrategie beteiligten. Ergo müsse das Imperium kollektiviert werden.

Diese Thesen sind bereits ein Jahr nach der „mission accomplished“-Rede von George W. Bush und als Antithesen gegen Samuel P. Huntington Kulturrassismus und Francis Fukuyamas westlicher Kapitalismusdominanz (Ende der Geschichte) formuliert worden. Etzioni ist kein moralischer Wanderprediger im Gewande eines Kommunitaristen, sondern er hält tatsächlich die verheerenden Militäraktion der USA in Afghanistan und Irak für einen Dienst des Imperiums an den internationalen Machtstrukturen und der internationalen Staatengemeinschaft, weil die USA verhindert hätten, dass Nuklearwaffen nicht in die Hände von Terroristen gefallen seien, sondern auch eine ungehinderte Proliferation von Nuklearwaffen hätte stattfinden können. Dass diese Anti-Proliferations-Politik nur den Atommächten und ihrer Dominanz über andere Staaten und der Aufrechterhaltung ungleicher Machtstrukturen dient, bleibt unerwähnt. Auch teilt er als Kommunitarist die für die USA typische Skepsis gegenüber den Vereinten Nationen, obgleich doch mit dem Japaner Ban ki-moon ein für die USA handsamer UN-Generalsekretär die Geschicke der Weltorganisation führt und diese immer stärker mit den US-amerikanischen Machtinteressen in Einklang bringt.

Dennoch behauptet der Autor, dass diese Strategie nicht auf eine Verwestlichung der Welt oder eine Konfrontation zwischen West und Ost hinauslaufe, wie von anderen Doomsday-Ideologen behauptet worden ist, sondern dass beide Kulturkreise letztendlich aufgrund gemeinsamer Interessen konvergieren. Etwas salopp formuliert: Westlicher Individualismus und östlicher Gemeinschaftsinn werden schreiten Seit an Seit. Folglich lautet seine Hauptthese, dass im Zuge der Entstehung einer globalen Gesellschaft, der Ausweitung des globalen Regierungshandelns, des Eintretens von immer mehr Menschen aus immer mehr Weltgegenden in die Politik, normative Faktoren an Bedeutung gewinnen werden. Aufgrund des spirituellen „Hungers“ verlangten die Menschen immer öfter nach moralischen Antworten, die in Kooperation und Gemeinschaft zu finden seien. Das Buch ist zwar keine Handlungsanweisung für eine Weltgemeinschaft, es gibt aber vielfältige Inspirationen gegen die politische Resignation und die Dominanz neokonservativer und machtpolitischer Ideen.

Erschienen hier.